Gehirnnetzwerke im Fokus: Default Mode Network, Salienznetzwerk und das Zentrale Exekutive Netzwerk – was sie sind und wie sie unser Denken steuern

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Die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahren aufregende Einblicke in die komplexen Netzwerkstrukturen unseres Gehirns gewonnen. Drei zentrale Netzwerke – das Default Mode Netzwerk (DMN), das Salienznetzwerk (SN) und das Zentrales Exekutives Netzwerk (ZEN) – arbeiten eng zusammen und ermöglichen uns, flexibel auf unsere Umgebung zu reagieren, Aufgaben zu bewältigen und uns selbst zu reflektieren. Doch was genau tun diese Netzwerke, und wie beeinflussen sie uns in verschiedenen Situationen? Dieser Artikel bietet eine detaillierte Erklärung dieser Netzwerke und zeigt auf, wie sie die Grundlage unseres Denkens und Verhaltens bilden.

Default Mode Netzwerk (DMN): Unser „inneres Selbst“

Das Default Mode Netzwerk (DMN) ist aktiv, wenn wir uns nicht auf die Außenwelt konzentrieren – also in Momenten, in denen wir nachdenken, träumen oder in Gedanken versinken. Dieses Netzwerk ist eng mit unserem Selbstbild, Erinnerungen und der Zukunftsplanung verbunden.

Hauptfunktionen des DMN:

  • Selbstreflexion: Das DMN ermöglicht es uns, über unser Leben und unsere Erfahrungen nachzudenken und daraus ein Gefühl für unser „Selbst“ zu entwickeln.
  • Gedächtnis und Zukunftsplanung: Wenn wir über vergangene Ereignisse nachdenken oder uns die Zukunft vorstellen, arbeitet das DMN. Es hilft uns, Erinnerungen zu verarbeiten und mögliche Szenarien zu entwerfen.
  • Grübeln und Sorgen: Bei Menschen mit Depressionen oder Angststörungen ist das DMN oft überaktiv. Dadurch werden negative Gedankenkreisläufe angestoßen, die das Grübeln und Besorgtsein verstärken.

Wichtige Hirnregionen im DMN: Das DMN umfasst unter anderem den medialen präfrontalen Kortex, den posterioren cingulären Kortex und den Precuneus. Diese Hirnregionen sind gemeinsam aktiv, wenn wir uns auf unsere inneren Gedanken konzentrieren. Während diese Aktivität wichtig ist, um Erfahrungen zu verarbeiten und ein stabiles Selbstbild zu formen, kann ein überaktives DMN auch zu chronischem Grübeln und negativen Gedankenschleifen führen.

Das Salienznetzwerk: Der „Wächter“ für wichtige Reize

Das Salienznetzwerk hilft uns, in unserer Umgebung wichtige oder neue Reize zu erkennen. Es bewertet Reize in Bezug auf ihre Relevanz und stellt sicher, dass wir auf potenziell bedeutsame Informationen reagieren können. Es entscheidet, welche Informationen aus der Umgebung Vorrang haben und leitet diese an die entsprechenden Gehirnregionen weiter.

Hauptfunktionen des Salienznetzwerks:

  • Erkennung von Bedrohungen und Gefahren: Das Salienznetzwerk aktiviert sich besonders bei Bedrohungen und sorgt dafür, dass wir wachsam und reaktionsbereit bleiben.
  • Verhaltenssteuerung: Es hilft uns, unsere Aufmerksamkeit auf wichtige Informationen zu lenken und aktiviert das Zentrale Exekutive Netzwerk (ZEN), wenn kognitive Anstrengung erforderlich ist.
  • Überwachung innerer Zustände: Neben äußeren Reizen überwacht das Salienznetzwerk auch innere Signale wie Hunger, Schmerz und emotionale Zustände.

Wichtige Hirnregionen im Salienznetzwerk: Die zentralen Bereiche des Salienznetzwerks umfassen die anteriore Insel und den anterioren cingulären Kortex. Diese Regionen sorgen dafür, dass das Gehirn schnell und effektiv auf wichtige oder unerwartete Reize reagiert. Bei Menschen mit Angststörungen ist das Salienznetzwerk oft überaktiv, was dazu führt, dass auch neutrale Reize als potenziell bedrohlich wahrgenommen werden und das Gehirn in ständiger Alarmbereitschaft bleibt.

Zentrales Exekutives Netzwerk (ZEN): Der „Manager“ für Fokus und Aufgaben

Das Zentrale Exekutive Netzwerk (ZEN) tritt in Aktion, wenn wir fokussierte Aufmerksamkeit benötigen, komplexe Aufgaben bewältigen oder wichtige Entscheidungen treffen müssen. Dieses Netzwerk ist besonders bei kognitiven Aufgaben aktiv und hilft uns, gezielt zu denken und strategisch zu handeln.

Hauptfunktionen des ZEN:

  • Fokussierte Aufmerksamkeit: Das ZEN ermöglicht uns, uns gezielt auf eine Aufgabe zu konzentrieren und Ablenkungen zu ignorieren.
  • Impulskontrolle: Es steuert unsere Impulse und sorgt dafür, dass wir kontrolliert und strategisch handeln.
  • Kognitive Flexibilität: Das ZEN hilft uns, flexibel zwischen verschiedenen Aufgaben zu wechseln und auf Veränderungen zu reagieren.

Wichtige Hirnregionen im ZEN: Die zentralen Bereiche des ZEN umfassen den dorsolateralen präfrontalen Kortex und den posterioren parietalen Kortex. Diese Hirnregionen sind besonders aktiv, wenn wir analytisch denken und Entscheidungen treffen. Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben oft Schwierigkeiten, das ZEN ausreichend zu aktivieren, was zu Problemen bei der Fokussierung und Impulskontrolle führen kann.

Wie die Netzwerke zusammenarbeiten – und was bei Dysfunktion passiert

Diese drei Netzwerke stehen in ständiger Interaktion und wechseln flexibel zwischen automatischen und bewussten Prozessen hin und her:

  • Zusammenspiel von DMN und ZEN: Das DMN ist aktiv, wenn wir abschalten oder in Gedanken versunken sind. Muss jedoch eine Aufgabe erledigt werden, wird das Salienznetzwerk aktiv und „schaltet“ das DMN ab, um das ZEN zu aktivieren und so die Konzentration auf die Aufgabe zu lenken.
  • Das Salienznetzwerk als Schaltstelle: Das Salienznetzwerk spielt eine entscheidende Rolle bei der Umstellung der Aufmerksamkeit. Wenn ein bedeutungsvoller oder bedrohlicher Reiz auftritt, deaktiviert das Salienznetzwerk das DMN und aktiviert das ZEN. Diese Reaktionsfähigkeit ist für schnelles Handeln essenziell. Bei Angststörungen kann diese Schaltfunktion gestört sein, was dazu führt, dass das Gehirn häufiger in Alarmbereitschaft bleibt und das ZEN überlastet wird.
  • Balance zwischen den Netzwerken: Eine ausgewogene Zusammenarbeit der drei Netzwerke ist entscheidend für unser Wohlbefinden. Ein überaktives DMN kann zu Grübelneigung und negativen Gedanken führen. Ein hyperaktives Salienznetzwerk verstärkt das Bedrohungsempfinden und führt zu anhaltendem Stress. Und wenn das ZEN geschwächt ist, fallen Fokus und Entscheidungsfindung schwer.

Das Zusammenspiel der Netzwerke verstehen

Diese Netzwerke ermöglichen uns ein flexibles und anpassungsfähiges Denken und Handeln. Ein besseres Verständnis der Netzwerkdynamik im Gehirn bietet wertvolle Einblicke in die Entstehung und Behandlung psychischer Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen. Dieses Wissen kann zu gezielten therapeutischen Ansätzen führen und durch Achtsamkeitstechniken, kognitive Verhaltenstherapie und medikamentöse Therapien zu einer gesunden Balance zwischen den Netzwerken beitragen.
Indem wir verstehen, wie das DMN, das Salienznetzwerk und das ZEN zusammenarbeiten, gewinnen wir nicht nur tiefere Einblicke in die Funktionen des Gehirns, sondern auch in Möglichkeiten, das Gleichgewicht und damit das Wohlbefinden zu fördern.