Stress und das Gehirn: Wie unser Körper auf Herausforderungen reagiert und was das mit uns macht

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Stress kennt jeder – sei es bei der Arbeit, durch familiäre Verpflichtungen oder durch das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen. Aber was passiert eigentlich im Körper und Gehirn, wenn wir gestresst sind? Ein Blick in die stressbedingten Abläufe zeigt, dass Stress mehr ist als ein kurzfristiger „Alarm“ und unser Gehirn und unseren Körper auf viele Arten beeinflusst.

Was ist Stress? Eine natürliche Reaktion des Körpers

Stress wird als eine Bedrohung der inneren Balance, der sogenannten Homöostase, empfunden. Diese Bedrohung kann real oder nur wahrgenommen sein, aber die körperliche Reaktion ist in beiden Fällen die gleiche. Stress hat in der Evolution eine wichtige Rolle gespielt, indem er uns in akuten Gefahrensituationen schneller und aufmerksamer gemacht hat. Doch häufiger und chronischer Stress kann unseren Körper belasten und das Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen erhöhen.

Die Stressreaktion: Wenn der Körper auf „Alarm“ schaltet

Sobald unser Körper eine Bedrohung wahrnimmt, reagiert er blitzschnell: Innerhalb von Sekunden setzt das Nebennierenmark Adrenalin frei, was zu einer Erhöhung der Herzfrequenz, des Blutdrucks und der Atemfrequenz führt. Gleichzeitig wird die Verdauung verlangsamt und die Muskeln werden stärker durchblutet, sodass wir auf Flucht oder Kampf vorbereitet sind. Diese Reaktion wird als „Fight-or-Flight“-Reaktion bezeichnet und hilft uns, auf Gefahrensituationen schnell zu reagieren.
Bei stärkerem oder länger anhaltendem Stress wird eine zweite Achse im Körper aktiviert, die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA). Hier werden Hormone freigesetzt, die die Ausschüttung von Cortisol, einem wichtigen Stresshormon, bewirken. Cortisol kann durch die Blut-Hirn-Schranke gelangen und erreicht etwa 20–30 Minuten nach einer Stresssituation seinen Höchstwert im Gehirn.

Die Rolle von Noradrenalin und Cortisol: Unser „Stressduo“

Noradrenalin und Cortisol sind die beiden wichtigsten Botenstoffe, wenn es um Stress geht. Noradrenalin wird im Locus coeruleus, einer kleinen Region im Hirnstamm, produziert und sorgt dafür, dass wir in einer stressigen Situation wacher und reaktionsbereiter sind. Cortisol wird hingegen in den Nebennieren freigesetzt und wirkt langfristiger. Es hat eine breitere Wirkung und beeinflusst viele Prozesse im Körper, von der Glukosebereitstellung bis zur Anpassung des Immunsystems.
Bei kurzfristigem Stress hilft Cortisol, den Körper auf ein hohes Energieniveau zu bringen und wach zu halten. Doch bei chronischem Stress kann Cortisol den Körper belasten und das Immunsystem schwächen. Ein ständig hoher Cortisolspiegel kann zum Beispiel auch dazu führen, dass sich die Struktur des Gehirns verändert.

Wie Stress das Gehirn beeinflusst

Stress verändert die Funktionsweise unseres Gehirns: Während kurzfristiger Stress das Gehirn vorübergehend aufmerksamer und schneller macht, zeigt sich bei längerem Stress, dass bestimmte Gehirnregionen beeinträchtigt werden können. Der Hippocampus, eine für das Gedächtnis zentrale Struktur, ist besonders empfindlich. Hohe Cortisolwerte können hier zu einer Verringerung von dendritischen Verzweigungen und Synapsen führen – also genau den Bereichen, die für Lernen und Gedächtnis wichtig sind. Diese Veränderungen können sich langfristig auf die Gedächtnisleistung auswirken.
Auch der präfrontale Kortex, der für unsere Entscheidungsfähigkeit und Impulskontrolle wichtig ist, wird bei anhaltendem Stress beeinträchtigt. Das bedeutet, dass chronischer Stress es schwerer macht, überlegte Entscheidungen zu treffen und uns in angespannten Situationen gut zu regulieren. Dies erklärt auch, warum wir in stressigen Phasen oft impulsiver reagieren und weniger geduldig sind.

Chronischer Stress und die Langzeitfolgen

Langanhaltender Stress hat tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Studien zeigen, dass Menschen mit einem chronisch hohen Stresslevel ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen haben. Das liegt daran, dass der Körper ständig im „Alarmzustand“ bleibt und wichtige Funktionen wie das Immunsystem oder die Zellregeneration auf Sparflamme laufen.
Außerdem kann chronischer Stress dazu führen, dass die sogenannte graue Substanz im Gehirn abnimmt – besonders in Regionen wie dem Hippocampus. Diese Abnahme kann das Risiko für Gedächtnisprobleme erhöhen und führt dazu, dass sich die Fähigkeit zur emotionalen Regulation verschlechtert. Menschen mit chronischem Stress haben häufig Schwierigkeiten, sich zu entspannen und empfinden alltägliche Anforderungen als belastender.

Stress und das Mikrobiom: Wie unser Darm das Gehirn beeinflusst

Spannenderweise spielt auch unser Mikrobiom – also die Gemeinschaft der Bakterien im Darm – eine Rolle bei der Stressbewältigung. Ein gesundes Mikrobiom kann dabei helfen, die Stressreaktion zu mildern und die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn positiv zu beeinflussen. Studien an Mäusen zeigen, dass eine gestörte Darmflora mit einer stärkeren Stressreaktion und einem höheren Risiko für angstähnliches Verhalten einhergeht. Die Forschung zur „Darm-Hirn-Achse“ zeigt, wie eng unser Wohlbefinden mit der Balance im Darm verbunden ist.

Den Stress verstehen und managen lernen

Stress ist eine natürliche Reaktion unseres Körpers, die uns hilft, auf Herausforderungen zu reagieren. Kurzfristiger Stress kann uns leistungsfähiger machen, aber chronischer Stress belastet Körper und Geist und hat langfristige Auswirkungen auf das Gehirn und das Wohlbefinden. Indem wir verstehen, was in unserem Körper passiert, wenn wir gestresst sind, können wir Wege finden, besser mit Stress umzugehen. Regelmäßige Entspannung, eine ausgewogene Lebensweise und eine gesunde Darmflora sind wichtige Ansätze, um die negativen Folgen von chronischem Stress zu mildern und die Balance im Körper zu bewahren.
Die Wissenschaft hilft uns, die Zusammenhänge zwischen Körper, Gehirn und Geist besser zu verstehen und gibt uns wertvolle Ansätze, um gesund mit Stress umzugehen.