Doppelbindungen

Gefangen zwischen den Zeilen: Warum Hochbegabte häufiger unter Doppelbindungen leiden

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Stell dir vor, du bekommst widersprüchliche Anweisungen, die du unmöglich gleichzeitig erfüllen kannst. Egal, was du tust, du machst es falsch. Diese Situation nennt man eine Doppelbindung (Double Bind), und sie kann für viele Menschen belastend sein. Doch besonders hochbegabte Kinder und Erwachsene leiden oft intensiver unter diesen paradoxen Botschaften – nicht, weil sie häufiger vorkommen, sondern weil Hochbegabte Widersprüche schneller und schärfer wahrnehmen. In diesem Blog erfährst du, was Doppelbindungen sind, warum sie für Hochbegabte so belastend sind und welche Auswirkungen das auf ihr Leben haben kann.

Was ist eine Doppelbindung?

Die Theorie der Doppelbindung stammt ursprünglich aus der Psychologie und wurde von dem Anthropologen und Psychiater Gregory Bateson in den 1950er Jahren entwickelt. Er untersuchte Kommunikation und stellte fest, dass widersprüchliche Botschaften, die gleichzeitig gesendet werden, besonders problematisch sein können. Eine Doppelbindung entsteht, wenn eine Person in einer Beziehung oder Situation zwei sich widersprechende Anweisungen oder Erwartungen erhält, bei denen keine der beiden erfüllbar ist, ohne gegen die andere zu verstoßen.

Warum sind Hochbegabte besonders betroffen?

Hochbegabte Kinder und Erwachsene haben oft eine besondere Fähigkeit, Widersprüche schnell und intensiv zu erkennen. Sie erfassen komplexe Zusammenhänge früh und spüren Ungereimtheiten in der Kommunikation stärker als andere. Das kann dazu führen, dass sie häufiger in Doppelbindungs-Situationen geraten oder diese zumindest schärfer wahrnehmen. Während andere die widersprüchlichen Botschaften vielleicht übersehen oder ignorieren, analysieren Hochbegabte die Situation oft tiefer und länger – mit negativen emotionalen Folgen.

Beispiele aus dem Alltag hochbegabter Kinder und Erwachsener:

Kindergartenkinder: Ein hochbegabtes Kind wird von einer Erzieherin gelobt: „Du bist so schlau, aber du solltest nicht so viel reden, das mögen die anderen Kinder nicht.“ Hier soll das Kind gleichzeitig stolz auf seine Fähigkeiten sein und sich zurückhalten, um dazuzugehören – ein Widerspruch, der zu Verwirrung führt.

Schulkinder: „Denk eigenständig und kritisch, aber gib mir die Antwort, die im Lehrbuch steht.“ Diese Aussage trifft oft auf hochbegabte Schüler*innen, die tiefer über Themen nachdenken und innovative Antworten liefern. Wenn sie jedoch merken, dass ihre abweichenden Gedanken nicht erwünscht sind, entsteht ein innerer Konflikt.

Jugendliche: „Sei einfach du selbst, aber pass dich besser an, um nicht aufzufallen.“ Gerade in der Pubertät, wo der Wunsch nach Individualität und Anpassung aufeinanderprallen, kann diese Art der Doppelbindung bei hochbegabten Jugendlichen zu Selbstzweifeln führen.

Erwachsene: Ein Vorgesetzter sagt: „Ich schätze dein Engagement, aber du solltest dich an die Vorgaben halten und nicht zu viele neue Ideen einbringen.“ Hochbegabte Erwachsene haben oft viele kreative Einfälle, werden jedoch in ihrem beruflichen Umfeld durch widersprüchliche Anforderungen ausgebremst.

Die psychischen Folgen für Hochbegabte

Doppelbindungen können bei hochbegabten Kindern schon früh Verunsicherung auslösen. Sie lernen, dass egal wie sie sich verhalten, sie etwas falsch machen könnten. Dies kann dazu führen, dass sie sich zurückziehen, um nicht ständig in Konflikte zu geraten, oder sie entwickeln einen Perfektionismus, der auf die ständige Angst gründet, etwas falsch zu machen. Beide Verhaltensweisen können sich langfristig negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Für hochbegabte Erwachsene setzt sich dieser Druck oft fort. Sie haben das Gefühl, dass sie durch die Erwartungen ihrer Umgebung ständig in einem Zwickmühlensystem gefangen sind. Dies kann zu Stress, Angststörungen oder sogar Depressionen führen. Besonders problematisch wird es, wenn hochbegabte Personen sich irgendwann selbst in Frage stellen und an ihrem eigenen Urteilsvermögen zweifeln. Das Misstrauen in die eigene Wahrnehmung kann eine dauerhafte Belastung darstellen.

Warum ist es für Hochbegabte schwieriger, mit Doppelbindungen umzugehen?

Hochbegabte Menschen haben oft ein stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Kohärenz und logischer Konsistenz. Widersprüchliche Botschaften lösen daher ein Gefühl der kognitiven Dissonanz aus, das sie unbedingt auflösen wollen. Doch bei einer Doppelbindung ist genau das unmöglich. Diese innere Unfähigkeit, den Widerspruch zu entwirren, kann zu einem Gefühl von Ohnmacht und Kontrollverlust führen. Da Hochbegabte in der Regel auch tiefer über Probleme nachdenken, geraten sie oft in Gedankenschleifen, aus denen sie nur schwer herauskommen.

Wie können Hochbegabte Doppelbindungen bewältigen?

Der erste Schritt zur Bewältigung besteht darin, die Doppelbindung als solche zu erkennen. Gerade bei Kindern ist es wichtig, dass Eltern und Erzieher*innen achtsam sind, um solche Situationen zu vermeiden. Klare, konsistente Kommunikation ist entscheidend, um Unsicherheiten zu verhindern. Hochbegabte Erwachsene sollten versuchen, sich in widersprüchlichen Situationen gezielt Unterstützung zu suchen – sei es durch Kollegen, Freunde oder in professioneller Beratung. Offene Gespräche über die empfundenen Widersprüche können helfen, den Druck zu mindern.

Doppelbindungen sind in der Kommunikation allgegenwärtig, doch für hochbegabte Menschen können sie zu einer besonderen Herausforderung werden. Die Fähigkeit, Widersprüche schärfer zu erkennen und darüber nachzudenken, macht es ihnen schwer, diese Konflikte zu bewältigen. Besonders wichtig ist es daher, dass wir uns der psychischen Belastung bewusstwerden, die durch solche paradoxen Situationen entstehen kann, und klare, konsistente Kommunikation fördern – sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen.